Mui Ne - Paradies für Kiter und Surfer
Vietnam/Nha Trang 6.6.2013
Mein Abreisetag aus Saigon war nun also gekommen und der schwergewichtige Koffer fertig gepackt. Phuoc hatte leider aus beruflichen Gründen keine Zeit und daher musste ich mich alleine zur Busabfahrtsstelle begeben. Diese war nur wenige hundert Meter vom Hotel entfernt und ich dachte, dass es kein Problem sein sollte, den Koffer dort hin zu rollen. Da passierte leider ein kleines Missgeschick, das mir kurzfristig die Balance kostete. Der Griff riss einfach ab und ich stand da, mitten in einem Park und wurde von einer Beregnungsanlage noch zusätzlich eingeweicht. Es war superheiß und ich war ohnehin schon nass auch ohne Beregnung. Zum Glück hatte ich noch genug Zeit und es ging sich alles aus, aber die Tage des Koffers waren angezählt, so viel war klar. Während ich schweißgebadet in einem weiteren Park auf die Abfahrt des Busses nach Mui Ne wartete, bot ein Schuhputzer seine Dienste sehr nachhaltig an. Zuerst wimmelte ich ihn ab, aber nach Ansicht meiner überaus schmutzigen Schuhe ließ ich mich erweichen. Schließlich ging die Busfahrt endlich los und für die ungefähr 210 km lange Strecke Richtung Nordosten an die Küste brauchten wir mehr als 5 Stunden. Eine Busfahrt in Vietnam ist aufgrund der Fahrweise der Menschen ein kleines Abenteuer. Es wird gehupt, Gas gegeben, dann wieder stark gebremst und insbesondere bei jeder noch so schlechten Gelegenheit überholt. Im Zweifel müssen dann beide Fahrzeuge abbremsen und sich wieder zurückfallen lassen. Das wäre ein Eldorado für Österreichs Paradeabkassierer, die Verkehrspolizei. Hier stört das alles niemanden. Allerdings dürfte der Preis ein hoher sein, denn die Anzahl der Verkehrstoten ist angeblich enorm. Selbst habe ich aber weder in Sri Lanka, wo es ähnlich chaotisch hergeht, noch in Vietnam je einen schwereren Unfall mitbekommen und das bei mehreren tausend zurückgelegten Kilometern. Ich bin gut angekommen in Mui Ne und habe dann bereits sehr müde abends im schönen Hotel eingecheckt. Wieder hat alles bestens funktioniert, ich konnte direkt vor dem Resort aussteigen. Mui Ne ist ursprünglich nur ein kleines Fischerdorf gewesen mit einem einsamen schönen Strandabschnitt. Das ursprüngliche Fischerdorf gibt es noch immer und liegt am östlichen Ende der sehenswerten Bucht, in der sich vor allem Kiter und auch einige Windsurfer tummeln. Der Ort ist schmal und langgezogen mit nicht einmal 20.000 Einwohnern und erstreckt sich etwa 10 km entlang der Küstenstraße. Leider ist der Fischerhafen sehr verschmutzt wie so Vieles in Vietnam, von der Ferne sieht aber alles toll aus. Die Strandabschnitte vor den zahllosen Hotels, Resorts und Bungalowanlagen sind jedoch gepflegt und laden zum Verweilen ein. Als Windsurfer war mir der Spot vom Namen schon vorher ein Begriff, daher wollte ich ihn auch unbedingt einmal kennen lernen, wenn ich schon in der Nähe war. Mui Ne ist also bestens geeignet für aktiven Wassersport tagsüber und ein reges Nachtleben danach, wenn man noch Kraft und Energien hat. Am Morgen noch relativ windstill gewinnt der Wind mit dem späten Vormittag immer mehr an Stärke und reicht nachmittags fast immer zum Kiten und manchmal auch zum Windsurfen. Die besten Bedingungen für Windsurfer herrschen jedoch aufgrund der Taifunausläufer über den Philippinen von Ende Oktober bis Ende April. Regen ist hier dank des Mikroklimas der angrenzenden Sanddünen selbst während der Regenzeit eher selten und verhalten anzutreffen. Nur einmal hat es mich abends bei einem kleinen Einkaufsbummel überraschend erwischt, sodass ich eine knappe Stunde in einem Geschäft ausharren musste. Da hat es innerhalb kürzester Zeit Regenmengen niedergeprasselt, die in Österreich eher nur ganz selten vorkommen. Nach den lauten und in Summe anstrengenden Tagen in Saigon waren mir zwei Wochen an einem schönen Strand gerade recht. Die meisten Touristen hier waren Russen, mit denen zwar eine Kommunikation eher unwahrscheinlich war, die sich aber nicht so schlecht benahmen, wie ihnen ihr Ruf vorausgeeilt war. Da war es schon eher mit den Vietnamesen mühsam und das besonders am Wochenende, wo sie in Scharen anreisten und dann für viel Lärm sorgten. Sie treten nur in Gruppen auf und kennen dann wenig Rücksichtnahme auf andere. Ich denke, dass den meisten Vietnamesen das gar nicht bewusst ist, wie unangemessen sie sich manchmal verhalten. Es wäre interessant herauszufinden, wie sich ein einzelnes Individuum alleine - so wie ich - zurecht finden würde. Da würde die Welt vermutlich ganz anders aussehen, wenn man ohne den Schutz der Gruppe auftreten müsste. Nichtsdestoweniger war es erholsam und ich begann, ein paar Pläne zu schmieden. Der Tag rückte näher, wo ich ein Motorbike anmieten würde. Phuoc hatte mir zwar erfolgreich ein wenig Respekt eingeflößt und das war auch gut so, aber als erfahrener Mountainbiker und auch gelegentlicher Motorradfahrer während diverser Urlaube und als Jugendlicher sollte das alles kein Problem darstellen. So mietete ich eine kleine Maschine an und fuhr zu den bekannten Sanddünen. Mui Ne ist für seine riesigen roten und weißen Dünen berühmt. Anfangs ein wenig übervorsichtig wich der übermäßige Respekt bald und ich legte ohne irgendein Problem weit mehr als 100 km zurück. Ich passierte herrliche einsame Sandstrände und malerische Fischerhäfen, die ich zu Fuß nie erreicht hätte. Auch besuchte ich das ursprüngliche Fischerdorf Mui Ne und eine schöne Pagode mit einer liegenden Buddhastatue. Hier gab es aber auch eine christliche Kirche, die am Kreuz zu erkennen war, sonst vom Baustil jedoch fast pagodenhaft aussah. In jedem Fall war ich froh, mich überwunden zu haben, und im Kopf hatte ich bereits eine weitere Ausfahrt in Planung. Als Tagesabschluss fuhr ich in die von Mui Ne etwa 10 km entfernte Stadt Phan Thiet. Die Stadt hat nicht ganz 200.000 Einwohner und war ursprünglich ebenfalls ein vielversprechender Urlaubsort. In der Zwischenzeit steht sie aber im Schatten des kleineren Mui Ne. Durch das Zentrum bahnt sich ein Fluss seinen Weg und vor der Mündung liegt ein Fischerhafen, der viele bunte Boote beherbergt, ein herrliches Bild. Der Strand konnte mich nicht weiter beeindrucken und so kehrte ich nach einer ausgiebigen Stadtrundfahrt wieder wohlbehalten nach Mui Ne zurück. Die Zeit verging rasend schnell, obwohl ich nicht sonderlich aktiv war und nur wenige Aufgaben zu erledigen hatte. Als erstes brauchte ich ein Busticket nach Da Lat ins Hochland weiter nördlich und als zweiter wichtiger Punkt musste nach der Schlappe bei der Abfahrt aus Saigon ein neuer Koffer her. In beiden Fällen lohnten sich die Preisvergleiche, wie sich nachher herausstellte, denn die „geschäftstüchtigen“ Vietnamesen erhöhen schon allein beim Angesicht eines europäischen Wesens reflexartig ihre Preise. Es ist daher nicht immer ganz einfach, den lokalen wahren Wert einer Sache herauszufinden. Aber da wir Europäer ebenfalls nicht alle auf der Nudelsuppe daher geschwommen sind, gibt es auch in diesem Fall Mittel und Wege, ein faires Angebot zu erhalten. Die Preisunterschiede sind allerdings teilweise gewaltig und wer sich nicht informiert und das erstbeste Angebot annimmt, zahlt mitunter kräftig drauf. Selbst beim Kauf eines Bustickets, wo man glauben könnte, es gäbe einen fixen Tarif, wird spekuliert und gepokert. Beide Agenda konnte ich nach einigem Herumschauen und Fragen erfolgreich abschließen. Bis zum Abreisetag blieb aber die Frage offen, ob der neue Koffer auch groß genug war für mein gesamtes Reise-Hab und Gut. So war also auch für die anstehende Abfahrt wieder für Spannung gesorgt. Meine zweite kleine Rundfahrt mit dem Motorbike führte mich ins etwas weiter entfernte Umland von Phan Thiet zum Ta-Cu Berg. Da ich nicht die ganze Zeit die gefährliche Nationalstraße nehmen wollte, fuhr ich über kleinere Straßen, die einen erheblichen Umweg bedeuteten. Das störte mich gar nicht, denn ich bewegte mich lange Zeit entlang der Küste vorbei an schönen Sandstränden und Dünen. Kurzzeitig verlor ich im Gewirr der kleinen Kreuzungen und falschen Angaben der Vietnamesen auch die Orientierung, da wäre ich mit meiner Intuition besser gelegen, der ich aber leider nicht gefolgt war. Doch am Ende erreichte ich das gewünschte Ziel. Der Ta-Cu Berg bietet mehrere Attraktionen, die ich mir nicht entgehen lassen wollte. Zum einen gibt es dort oben die längste liegende Buddhastatue Vietnams mit 49 m. Die dazugehörende Pagode wurde bereits 1861 errichtet, während der weiße liegende Buddha erst im Jahr 1972 hinzugefügt wurde. Und zum anderen führt wieder einmal eine österreichische Seilbahn auf den Berg, von wo aus man einen traumhaften Blick auf die Küstenebene genießen kann. Für die Buddhisten ist das Heiligtum am Berg ein bedeutendes Pilgerzentrum. Das letzte Stück zur Pagode und weiter zur Statue führt über einen steilen Anstieg mit Steinstufen. Auch hier oben auf etwa 800 m Seehöhe war es heiß und der Aufstieg schweißtreibend. Für mich stellte der Aufenthalt an diesem schönen Ort einen vollen Genuss dar und ich verweilte, so lange ich konnte. Die Rückfahrt gestaltete sich problemlos und ich blieb noch an vielen schönen Plätzen stehen, um Fotos zu machen. Insgesamt legte ich bei diesem Ausflug mehr als 130 km zurück. In Mui Ne war es sehr heiß wie auch schon zuvor in Saigon, daher war in Folge einmal eine temperaturmäßige Abwechslung vonnöten. Mein nächstes Reiseziel war das zentrale Hochland Vietnams, wo statt tropisch-heißer frühlingshaft-kühle Temperaturen vorherrschen. Während der letzten Tage im Hotel traf ich noch ein österreichisches Paar, das vom Norden gekommen war und mich umfangreich mit Informationen versorgt hat. Außerdem waren sie so nett, mir ein paar Kleinigkeiten nach Österreich mit zu nehmen, da ihre Reise sich schon dem Ende zugeneigt hatte. Ein sehr lieber Zug von meinen Landsleuten, nochmals danke dafür. Der neue Koffer war gerade groß genug für mein Gepäck, kleiner hätte er nicht sein dürfen, und den alten verschenkte ich an einen Hotelmitarbeiter, der eine große Freude damit hatte. Wie ich die praktisch veranlagten Vietnamesen in der Zwischenzeit kennengelernt hatte, konnte er den gerissenen Griff mittlerweile sicher längst reparieren. Auf diese Weise hatten beide Seiten etwas davon. |